Donnerstag, 6. Januar 2011

Österreichischer Film 2010 - eine kleine Bilanz

Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist vorbei. Und man muss sagen: Es war ein sehr gutes Jahrzehnt für den österreichischen Film. Wenn man vom kommerziell gewiss erfolgreichen, letztlich aber in einer Sackgasse verlaufenen Sissi & Peter Alexander-Jahrzehnt der 50er- und 60er-Jahre absieht und von der durch Spekulation entstandenen Produktionsblase um 1920 (beides waren ohnehin nur quantitative, sicherlich keine qualitativen Höhepunkte), ja dann kann man vielleicht sogar vom erfolgreichsten Jahrzehnt des österreichischen Films überhaupt sprechen.

Folgende Bilanz bezieht sich jedoch hauptsächlich auf das Jahr 2010 - das jedoch in engem Kontext zu den beiden Vorjahren betrachtet werden muss. Schließlich hob der österreichische Film ab 2008 zu ungekannten Höhenflügen ab. Der im langjährigen Durchschnitt bescheidene Marktanteil von rund 2 % (an der Gesamtzahl aller Kinobesuche in Österreich) hob 2008 auf 6,6 % ab und erreichte 2009 mit 7,7 % einen Rekordwert. Dieser konnte 2010 zwar nicht übertroffen werden - mit hochgerechnet rund 4,5 bis 5 % aber doch auf dem - vergleichsweise - hohem Niveau gehalten werden.

Österreichischer Film 2010 - eine erste Bilanz:
[Quelle: filminstitut.at]
- 47 Filmstarts
- davon 36 mehrheitlich österreichische Produktionen (27 ö. Alleinproduktionen, 9 Koproduktionen unter österreichischer Federführung, 11 als kleinerer Partner)
- 819.727 Kinobesuche (auf alle 57 österreichische Filme, die 2010 im Kino liefen; 700.824 Besuche auf jene 47 Produktionen, die 2010 im Kino starteten; Zahlen per 28. Dezember, unvollständig; wird wohl noch um einige Tausend nach oben korrigiert werden)
- Erfolgreichste Filme:
1.) Die unglaubliche Entführung der Elfriede Ott (Regie: Andreas Prochaska, Produktion: Dor Film), 193.844 Besuche
2.) Am Anfang war das Licht (R: P.A. Straubinger, P: Allegro Film), 93.067
3.) Der Atem des Himmels (R: Reinhold Bilgeri, P: Bilgeri Film), 62.818
4.) 3faltig (R: Harald Sicheritz, P: MR Film), 53.078
5.) Das Weiße Band (R: Michael Haneke, P: Wega Film + D/F/IT-Koproduktion), 49.470 (+115.082 Kinobesuche aus dem Vorjahr)

Abgesehen von den nackten Zahlen (und den internationalen Festival- und Verwertungs-Erfolgen) lassen sich im Jahr 2010 auch mehrere Entwicklungen und Veränderungen festmachen:

Kampf um den heimischen Verleihmarkt - Thim Film und Filmladen

Eins vorweg: Die größten Anbieter von Filmen in Österreich sind "natürlich" die US-Filmkonzerne. Diese dominieren seit Jahrzehnten unangefochte die Top-5 des österreichischen Kinofilm-Verleihmarktes (Statistik: siehe Wikipedia). Interessant ist lediglich die Betrachtung der Nische der österreichischen Filme. Jährlich kommen im Schnitt 25 bis 30 neue österreichische Filme ins (österreichische) Kino - in den letzten Jahren sogar stets über 30, 2010 sogar unglaubliche 47. Gleichzeitig stieg der Marktanteil der österreichischen Filme an den Gesamt-Kinobesuchs-Zahlen von im Schnitt 2 % auf zuletzt 5 bis 8 %. Verantwortlich dafür sind jedoch nicht einzelne Ausreißer (wie früher etwa die Kabarettfilm-Kassenschlager Hinterholz 8 und Poppitz), sondern ein breites Spektrum von mittelmäßig besuchten (aber immer hochklassiger produzierten) Filmen mit "Highlights" um die 150.000 bis 200.000 Besuche bei den erfolgreichsten Produktionen. Es tut sich also was beim österreichischen Film. Daher ist es eigentlich auch nicht weiter verwunderlich, dass sich seit 2, 3 Jahren ein neues Unternehmen um den Verleih österreichischer Filme bemüht. Und dieses Unternehmen ist die 2008 von Andreas Thim gegründete Thim Film, die offensichtlich lieber klotzt, statt zu kleckern, aber dennoch keineswegs ein Rosinenpicker ist (zum "Gründungsmythos" (es gibt keine aussagekräftige Webseite oder Firmenhistorie) der Thim Film siehe FilmGesOes-Eintrag vom 19.6.2009: Was ist Thim Film?).

Die
Thim Film ist mittlerweile voll im österreichischen Markt eingestiegen und hat sich binnen zwei Jahren (der fulminante Einstieg erfolgte 2008 mit dem Verleih des ersten Teils von "Echte Wiener", dem auf dem Inlandsmarkt mit 372.539 Kinobesuchen erfolgreichsten österreichischen Film seit Poppitz (2002, 441.017, Filmladen-Verleih)) still und heimlich zum größten Anbieter österreichischer Filme gemausert: 12 der 47 österreichischen Erstaufführungen 2010 erschienen bei Thim Film und erzielten 257.426 Besuche. Inkl. "Überläufer" aus dem Jahr 2009 (Plastic Planet) ergibt das 277.935 Besuche im Jahr 2010 oder einen Marktanteil (bei ö. Filmen) von rund 34 %.

Zum Vergleich: der größte Konkurrent, Filmladen, war 2010 nur mit 10 neuen österreichischen Filmen, die gerade einmal etwas mehr als 10.000 Besuche verzeichneten, in den Kinos vertreten (mit den drei Überläufern aus dem Vorjahr, Die Wüstenblume, Vaterspiel, Das Weiße Band kommt Filmladen zwar noch auf 13 verliehene ö. Filme, bleibt jedoch mit rund 71.000 Besuchen dennoch hinter Thim Film). Selbst unter Berücksichtigung von Luna Film (Verleiher des "Elfriede Ott"-Films von Andreas Prochaska), die wie Filmladen unter der Geschäftsführung von Michael Stejskal steht, würde die Dominanz der Thim Film nur knapp verhindert werden: Luna Film und Filmladen kommen auch gemeinsam mit etwa 280.000 Kinobesuchen (auf das österreichische Verleihangebot) nur knapp über die Werte der Thim Film.

Damit hat Thim Film 2010 zum zweiten Mal infolge den bislang erfolgreichsten Verleiher österreichischer Kinofilme, Filmladen, beim Publikumserfolg abgehängt (Filmladen bestreitet den Großteil seines Geschäfts jedoch mit Filmimporten, Thim Film verleiht nur österreichische Produktionen). 2010 erzielte Thim Film jedoch nicht nur das meiste Publikum österreichischer Filme sondern war mit 12 Produktionen erstmals auch größter Anbieter ebensolcher.

Nicht berücksichtigt in dieser Darstellung des Kampfes um Platz 1 wird hier die Constantin Film Holding, die ehemalige Österreich-Tochter des deutschen Constantin Film-Konzerns, die zwar formal ein selbstständiges, österreichisches Unternehmen ist, aber de facto nach wie vor vor allem als verlängerter Arm für deutsche Constantin Film-Produktionen fungiert und nur vereinzelt österreichische Produktionen verleiht.

Mit dem Stadtkino-Verleih und Polyfilm gibt es noch zwei mengenmäßig bedeutende Verleiher österreichischer Filme (Stadtkino hatte 2009 8 österreichische Filme im Verleih, Polyfilm 4). Jedoch sind dies vorwiegend kleine, alternative und experimentelle Produktionen, die insgesamt nur wenig Publikum ins Kino locken. Mit weniger als 1 % Marktanteil spielen diese im (quantitativen) Kampf um Platz 1 beim Verleih österreichischer Filme daher keine Rolle.

Thim Film in Zahlen:
Filme - Besuche - Marktanteil Ö. Gesamt
[als Senator/Thim Film und 3L/Thimfilm 2007 insgesamt: 26 - 400.631 - ~2,7 % kombinierter Marktanteil]
2008: 1 - 205.457 - 1,4 %
2009: 5 - 379.833 - 2,1 %
2010: 13 - 277.935 (vorläufig) - etwa 1,6 % (Schätzung)

Filmladen in Zahlen:
2007: 67 - 703.987 - 4,7 %
2008: 53 - 785.002 - 5,3 %
2009: 44 - 965.663 - 5,3 % (davon 6 ö. Filme + 2 Überläufer = 294.776 + 31.578 = 326.354)
2010: k.A. (13 ö. Filme mit rund 71.000 Besuchern (vorläufig))

Internet-Plattform "Austrian Film"

Das Engagement (man darf es ruhig so nennen) der Thim Film für den österreichischen Film erstaunt - und verwundert zugleich. Mit www.austrianfilm.at hat Thim Film sogar eine Plattform für österreichische Filmproduktionen geschaffen, die von vielen (knapp 4.000 Facebook-Usern) wahrgenommen wird, jedoch wohl kaum als Gründung eines bestimmten Verleih-Unternehmens. Erstaunlich ist dies insofern, da Thim Film im Impressum der Seite ursprünglich erwähnt wurde, mittlerweile aber durch einen Verein zur Förderung und Verbreitung österreichischer Filme ersetzt wurde. Abgerundet wird dieses unparteiische Erscheinungsbild durch ein paar Anmerkungen zur österreichischen Filmgeschichte - freilich fast unverändert aus der Wikipedia kopiert, wobei die Worte "Österreichischer Film" konsequent durch "Austrian Film" ersetzt wurden - und freilich ohne die Wikipedia oder den Autor des entsprechenden Artikels (nämlich ich ;)) als Quelle zu nennen.

Eine Win-Win-Situation für den österreichischen Film

Abschließend lässt sich sagen, dass abgesehen von den US-Multis, die den österreichischen Kinomarkt "natürlich" dominieren, zumindest in die (zuletzt stark gewachsene) Nische des österreichischen Films etwas Bewegung gekommen ist. Neben Michael Stejskals Filmladen und Luna Film ist mit Andreas Thim ein Deutscher in den Kampf um die Hoheit der Österreich-Nische im heimischen Filmmarkt eingestiegen. Da der Anteil österreichischer Filme bei den Kinobesuchen von 2 % (2007) auf zuletzt 7,7 % (2009) und (voraussichtlich) rund % im Jahr 2010 gestiegen ist, gibt es in diesem Duell bislang erfreulicherweise keine Verlierer. Filmladen und Luna Film verlieren keine Marktanteile, Thim Film nimmt - statistisch gesehen - im Grunde nur den US-Anbietern (und dem einzigen nicht US-amerikanischen Big Player, der Constantin Film Holding) insgesamt ein paar Prozent Marktanteil weg - angesichts jährlicher Schwankungen für diese freilich kaum wahrnehmbar.

Eine Win-Win-Situation für den österreichischen Film also. Bisher zumindest. Es bleibt zu hoffen, dass die positive Entwicklung des österreichischen Films auch 2011 anhält. Die Vorzeichen stehen gut, die Listen der "in Produktion" und "vor Kinostart" stehenden Produktionen sind lang. To be continued.

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