Freitag, 19. Juni 2009

Neues von Sidney M. Goldin

Folgender Text basiert auf eigenen Recherchen in den drei Filmzeitschriften "Der Filmbote", "Das Kino-Journal" und "Die Filmwelt", deren Jahrgänge 1921 bis 1924, teils bis 1925, ich anlässlich einer Seminararbeit über Filmkritiken über jüdische Filme im Wien der 20er-Jahre gesichtet habe.

Sidney M. Goldin war, das geht aus einer Veröffentlichung von Ronny Loewy in der Zeitschrift des Filmarchiv Austria hervor (1), wurde am 28. März 1877 in Odessa geboren. Andere Quellen, so schreibt er, würden zwar 1880 nennen, doch welche Quellen das sind, bleibt leider im Verborgenen. Wer Goldin nun eigentlich war, will ich hier nicht näher erläutern. Das kann in der Wikipedia nachgelesen werden, wo ich bereits alle (zumindest die meisten - ab und zu aktualisiere ich es auch) im Internet auffindbaren Informationen zusammengetragen habe. Ich will hier lediglich neue Aspekte bezüglich Sidney Goldin, dem großen, vermutlich größten Regisseur des (frühen) jiddischen Films, einbringen - vor allem in Bezug auf Österreich, wo Goldin über mehrere Jahre hinweg Filme hergestellt hat.

Mein Zugang dazu

Bevor ich hier nun vermeintlich neue Erkenntnisse verbreite, möchte ich kurz auf den Forschungsstand, so wie er mir bekannt ist, eingehen. Was österreichische Publikationen zum jiddischen Film bzw. jüdischen (Stumm-)Film betrifft, scheint die Sache relativ überschaubar zu sein. Wird der jüdisch-/jiddische Filme (also Filme, die im jüdischen Milieu spielen) in österreichischer Filmliteratur angesprochen, so beschränken sich die Angaben im Wesentlichen immer auf die Nennung der von Sidney Goldin in Wien hergestellten Filme. Mitunter wird auch erwähnt, dass es eine Beziehung zum jiddischen Theater in Wien gab, und dass auch andere Personen und Firmen in Wien jiddische/jüdische Filme hergestellt hätten. Konkreter werden diese Angaben, die die Theaterforscherin Brigitte Dalinger u.a. in "Die Stadt ohne Juden" (Verlag Filmarchiv Austria, 2000) sowie in Armin A. Wallas' "Jüdische Identitäten in Mitteleuropa" (Niemayer, 2002) beigesteuert hat, jedoch nicht.

Andere deutschsprachige Publikationen zum jiddischen/jüdischen Film in Österreich sind mir nicht bekannt. Es gibt zwar von Armin Loacker in "Wien, Stadt der Juden" (Zsolnay, 2004) einen sehr gut recherchierten Beitrag über jüdische Filmproduzenten in Wien, jedoch kaum nähere Informationen zu Filmen, die im jüdischen Milieu spielen. Dann gibt es da noch Publikationen des Filmarchiv Austria, von denen ich leider nur einen Teil kenne, und auch nur wenige online zu finden sind, sowie diverse Festivalkataloge und -programme, die u.a. auch Quellen nennen, etwa deutsche Bücher und deutsche Zeitschriften aus den 80er- und 90er-Jahren, vorwiegend aus Frankfurt am Main. Hierzu habe ich jedoch (noch) keinen Zugang.

Mein Forschungsstand ist daher ausschließlich auf Bücher in österreichischen Bibliotheken sowie Internetquellen gestützt, was mein Wissen zu diesem Thema gewiss einschränkt. Wenn ich nun also etwas schreibe, von dem ich glaube, dass es neu ist, so ist es nur neu für Personen, die in Österreich leben und kaum bis gar nicht in deutschen oder anderen ausländischen Bibliotheken recherchieren - sprich: es ist neu für alle Nicht-Filmwissenschaftler, aber auch neu für alle interessierten Studenten, die bloß noch keine Gelegenheit hatten, deutsche Bücher oder Zeitschriften zum Thema zu lesen, oder amerikanische Bücher über den jiddischen Film (in Österreich auch nur sehr spärlich vorhanden) zu lesen. Dazu zähle auch ich mich. Und was ausländische Publikationen vermutlich kaum berücksichtigen können (evtl. noch die deutschen), sind die österreichischen Filmzeitschriften, die in diversen Wiener Bibliotheken herumliegen. Insofern spiele ich also sehr wohl mit dem Gedanken, zumindest in Details ein paar Neuigkeiten über Sidney M. Goldin veröffentlichen zu können. Dass im Internet auch in englischer Sprache nicht einmal das genaue Geburtsdatum zu finden ist (auch nicht auf Seiten, die sich auf jiddischen Film oder Film-Biografien spezialisiert haben, obwohl Goldin für den jiddischen Film mindestens die Bedeutung eines Fritz Lang für den deutschen Film der 20er- und 30er-Jahre hat), spricht allerdings dagegen, dass Goldins Biografie zumindest im englischen Sprachraum (insbesondere meine ich natürlich die USA) ein längst entschlüsseltes Rätsel wäre.

Im deutschsprachigen Raum, wo anlässlich von Vorführungen von Filmen Goldins seine Biografie häufig auf einen Satz beschränkt bleibt, dürfte seine Biografie jedenfalls noch weniger bekannt sein, wobei Ronny Loewy da offenbar mehr weiß und vermutlich auch schon irgendwo irgendwann publiziert hat, oder entsprechende Publikationen kennt. Da müsste man halt mal irgendwie nachforschen; bloß wird sich das bei mir in diesem Semester nicht mehr ausgehen :)

Sidney Goldin in Österreich

Nun will ich aber mal konkreter werden. Sidney Goldin tauchte allem Anschein nach erstmals im Frühjahr 1921 in Wien auf (etwa Ende Mai, denn der Bericht erschien in der Ausgabe Nr. 10 (ohne Datum) der zweiwöchentlich erscheinenden Zeitschrift "Die Filmwelt"), zumindest dürfte es der erste Wien-Besuch Goldins gewesen sein, der geschäftlich erfolgte und in der Filmbranche wahrgenommen wurde. So schrieb der Wiener Schauspieler Franz Höbling, wie er von der aufgeregten Schauspielerin Magda Sonja telefonisch von den Dreharbeiten Sidney Goldins im Wiener Astoria-Atelier (Marchfelderstraße 18, Brigittenau, vgl. Inserat im Almanach der Film- und Kinoindustrie 1920, Wien 1919; abgebildet in: Elektrische Schatten, 1999, S. 67) erfuhr, wohin er sie sofort besuchen kommen sollte, da "alles da ist, alles will zuschauen, keiner darf hinein, alles voll neuer Lampen, Quecksilber, unerhörte Dekorationen, die ganze Nacht wird gedreht": "Da stand ich dann vor dem Tore und ich muss sagen, mir ward ganz feierlich zumute! Nicht etwa, weil ich einmal bei einer Filmaufnahme (die allerdings ungewöhnlicherweise bei Nacht stattfinden sollte), nur zusehen durfte, sondern es ergriff mich ein eigentümliches Gefühl, als ich schon auf der Straße die Menschen dem Atelier zueilen und in den Mienen Spannung und Erregung sah, die sich in aller Mund zu einer Frage formte: 'Ich bin neugierig, was der Amerikaner machen wird!' Der Amerikaner, das war nämlich Mister Sidney Goldin, der erste amerikanische Regisseur, der in einem Wiener Atelier mit Wiener Künstlern arbeitet, um im Dollarlande zeigen zu können, dass wir armen Deutschösterreicher noch zu etwas zu gebrauchen sind ("Amerikanische Filmregie. Von Franz Höbling und Magda Sonja." Die Filmwelt, Jahrgang 1921, Nr. 10, S. 3 f.)

Aus diesem vermutlich ersten, oder zumindest einem der ersten Berichte in einem österreichischen Medium über Sidney Goldin lässt sich bereits mehrerlei, durch Hintergrundwissen über den österreichischen Film der 20er-Jahre gedecktes, ableiten:
1.) Die billigen Produktionsbedingungen aufgrund der hohen Inflation und der schwachen österreichischen Währung, der Krone, im Nachkriegsösterreich dürften auf jeden Fall eine Rolle für die Wahl Wiens als Produktionsland gespielt haben. Dass in einem Wiener Atelier "alles voll neuer Lampen" und "unerhörter Dekoration" ist, dürfte bei Franz Höbling jedenfalls einen gewissen Eindruck hinterlassen haben. Goldin, der aus dem "Dollarlande" kam, hatte, zumindest bei dem Wechselkurs, offensichtlich kein Problem, sich die Ausstattung und Technik etwas kosten zu lassen (Goldin war ja auch namens seiner eigenen Goldin Production in Wien tätig (Filmhimmel Österreich, Nr. 42, 2006).
2.) Das vergleichbar große Interesse der österreichischen Filmzeitschriften an Goldin (sowohl Der Filmbote als auch Das Kino-Journal und Die Filmwelt berichteten über Jahre hinweg immer wieder über Goldins neue Pläne, neue Filme, über seine Ankunft in und Abreise aus Wien, seine Hochzeit und sogar über sein "Herzleiden" - wobei die letzteren, detaillierten Informationen vor allem aus der "Filmwelt" stammen) ist vermutlich dadurch zu erklären, dass Goldin als amerikanischer Filmproduzent Balsam auf die von Minderwertigkeitskomplexen geplagte österreichische Seele, auch die Seele der Filmschaffenden, war. Wenn ein Amerikaner in Wien Filme herstellt, noch dazu mit Wiener Schauspielern und Stabmitgliedern, kann das nur als großes Kompliment an den österreichischen Film verstanden werden, wenngleich der finanzielle Faktor vielleicht entscheidender für die Wahl auf Wien war, denn jener der Qualität der Wiener Filmschaffenden und -infrastruktur. Goldin, so die Filmblätter, habe allerdings auch bereits in London, Paris und Prag Filme hergestellt (so der Filmbote, Nr. 22, 1924).

Der Film, den Goldin 1921 im Astoria-Atelier mit Magda Sonja in einer Hauptrolle gedreht hat, heißt Ihre Vergangenheit. In der Nr. 24 der Filmwelt des Jahres 1921 wurde schließlich die Fertigstellung bekannt gegeben. Der Filmstart erfolgte am 6. Jänner 1922 im Rotenturm-Kino.(Filmhimmel, Nr. 42)

Ost und West und Jiskor

Nach der Fertigstellung von Ost und West reiste Goldin mitsamt dem Film nach New York, wo er den Film präsentiert hat und sich ein halbes Jahr dem "Studium der neuesten Errungenschaften der Filmtechnik" gewidmet hat. (Kino-Journal, Nr. 720, 17. Mai 1924) Generell sei der Film in den USA gut gelaufen (und auch in einige andere Länder verkauft worden), so die Filmwelt, und generell würden "jüdische Filme" in den USA guten Absatz finden. Nach dem USA-Aufenthalt kehrte Goldin wieder nach Wien zurück, um mit den Vorbereitungen für Jiskor zu beginnen: "[...] ist dieser Tage aus New York wieder in Wien eingetroffen und beginnt in Kürze mit den Arbeiten zu einem historischen Film aus dem 18. Jahrhundert 'Lebendig begraben'. Sodann folgt der moderne Film 'Gebrochene Herzen'." (Filmwelt Nr. 20, 1924) "Lebendig begraben" war der ursprünglich vorgesehene Titel für "Jiskor", "Gebrochene Herzen" wiederum wurde laut IMDB (Unter dem Titel "Broken Hearts"/"Di gebrokhene Hertser") in den USA unter der Regie von Maurice Schwartz (der mit der Yiddish Art Group in einigen der Wiener Goldin-Filmen mitwirkte, darunter auch in "Jiskor") hergestellt.

Allerdings berichtete auch das Kino-Journal von zwei Filmen, die Goldin nach Ost und West in Wien herstellen sollte, und nennt hierbei "Libin" als Autor des Stoffes sowie Betty Gärtner und die Theatergruppe um Maurice Schwartz als Darsteller, wobei diese Aussage auch bloß auf ersteren Film bezogen sein könnte. Mir wären bisher auch keine Hinweise untergekommen, dass Goldin nach Jiskor nochmals in Wien tätig gewesen wäre. Jedenfalls berichten alle drei Filmzeitschriften von Goldins Rückkehr aus New York, mitsamt dem "Filmfachmann Mr. Goldberg", und der Absicht, in Wien und Umgebung zwei Filme herzustellen, "einen historischen und einen modernen": eben "Jiskor" ("Lebendig begraben") und "Gebrochene Herzen". Aber offensichtlich wurde Gebrochene Herzen letztlich in New York von Maurice Schwartz hergestellt. Ob es in Wien zu Problemen gekommen war? Musste die Produktion entgegen der Planungen plötzlich nach New York verschoben werden? Oder war die Produktion von "Gebrochene Herzen" zum Zeiptunkt der Berichterstattung im Mai 1924 einfach noch nicht eine so ausgemachte Sache, wie sie dargestellt wurde?

Dass Jiskor Goldins letzte Produktion in Wien war, würde auch gut mit der Entwicklung der österreichischen Filmindustrie konform gehen. Als Goldin 1921 nach Wien kam, boomte die Produktion aufgrund der schwachen Währung gerade enorm. Dieser Boom flaute mit der Inflationsbekämpfung 1923, 1924 ab und führte letztlich in eine vernichtende Krise, der nur wenige Filmhersteller in Österreich übrig ließ. Aufgrund des schlechteren Wechselkurses war Wien kein billiger Produktionsstandort mehr.

Jiskor selbst wurde jedenfalls unter Mitwirkung des "aus sechzehn Personen bestehende[n] Ensemble des amerikanischen Künstlertheaters unter der künstlerischen Leitung von Morris Schwarz, das augenblicklich in Paris Vorstellungen gibt" aber "in allernächster Zeit ebenfalls in Wien eintreffen [wird], um in den beiden Filmen Mr. Goldins mitzuwirken" in den Schönbrunn-Ateliers und "in der Umgebung Wiens, hauptsächlich auf einer alten Ritterburg" hergestellt. (Der Filmbote, Nr. 22, 31. Mai 1924)

Nach Jiskor, was am 26. Oktober 1924 in Wiener Kino Premiere hatte, drehte Goldin scheinbar noch eine Weile in Wien und verließ die Stadt schließlich Richtung Warschau (Filmwelt, Nr. 32, 1924 - also ca. Ende Dezember) - ein anderes, vermutlich (so der Tenor der Film- und Theaterwissenschaft) größeres Zentrum der jiddischen Kultur - und vermutlich billiger als New York und Wien, aber kulturell eben genau so reichhaltig.

Heirat und Abreise



Wenig später vermeldete die Filmwelt noch ein letztes Mal eine Nachricht von Sidney Goldin; nämlich, dass er "vergangenen Montag" (offenbar irgendwann im Dezember, es stand in der Filmwelt-Ausgabe Nr. 34, 1924) "Fräulein Betty Gärtner, die Hauptdarstellerin seines letzthin in Wien gedrehten Lustspieles 'Mojsche Pipik, der Graf', geheiratet" hat. Es gibt also, und das hatte ich befürchtet, noch Filme, die nie in einer Filmzeitschrift erwähnt wurden. Eine Art "Underground"-Produktion jiddischer Filme, die aufgrund der Spezialisierung auf jiddischsprachiges Publikum gar nicht erst in österreichischen Medien erwähnt wurden, und ohnehin vorrangig für jiddisches Publikum, das vorrangig anderswo auf der Welt, etwa in Warschau oder New York, lebte, gedacht war. Ich hoffe mit dieser Befürchtung nicht recht zu haben, schließlich haben es Filmwissenschaftler bisher immer irgendwie geschafft, Filmografien weitgehend zu vervollständigen, zudem gab es auch in Wien Fachblätter für jüdisches Publikum, in denen sich vermutlich auch Hinweise auf jiddische Filme finden lassen. Von einem Film des Namens "Mojsche Pipik" war jedoch im Zusammenhang mit Goldin bisher in den Filmzeitschriften bzw. deutschsprachiger Filmliteratur nie die Rede.

Goldin in Wien privat

Auch persönliche Gewohnheiten und Ansichten wollten die interessierten österreichischen Filmzeitschriften damals Sidney Goldin entlocken. Die Mitarbeiterin der Filmwelt, Rosa Wachtel, hatte im Frühjahr 1922 die "Gelegenheit, am 'Goldintisch' (denn so heißt sein Stammtisch im Café Payr) mit dem Regisseur, der im persönlichen Verkehr ein sehr liebenswürdiger und humorvoller Mensch ist, ein Stündchen zu plaudern." (Filmwelt, 1922, Nr. 8) Über dem Interview füllte ein Porträtfoto fast die ganze Seite, doch leider war es mir bei den Mikrofiche-Scans nie möglich, halbwegs brauchbare Scans der Bilder hinzubekommen. Das müsste wohl mal an Originalen in der Nationalbibliothek geschehen, immerhin gab es erstaunlich oft Porträtaufnahmen und andere Fotos von Goldin in den Wiener Filmzeitschriften zu sehen.

Das Café Payr, wo Goldin, was ich bei einem Nicht-Wiener für sehr bemerkenswert halte, seinen eigenen Stammtisch gehabt haben soll, ist eines von etwa drei Wiener Cafés, wo sich die Filmwelt in den 20er-Jahren versammelte, um geschäftliches wie privates anzubahnen oder zu besprechen.



Dass Goldin, der innerhalb von vier Jahren mindestens fünf Filme in Wien herstellte, dazwischen jedoch immer wieder für längere Zeit in New York, Warschau oder anderswo weilte, einen Stammtisch in einem Filmcafé etablierte, kann man jedoch auch als einen Beweis für die im Filmboten gebrachte Darstellung sehen, dass "Mr. Goldin" von Wien "ehrlich entzückt" ist. "Er besitzt hier zahlreiche Freunde und es bereitet ihm größte Freude, in Wien arbeiten zu können. Er gab aufrichtig zu, daß, als er das letzte Mal von Wien nach Amerika zurückkehrte, er sich an das Wesen der Amerikaner und an das Tempo, mit welchem drüben gearbeitet wird, erst langsam wieder hat gewöhnen müssen. Er beabsichtigt, diesemal lange in Wien zu bleiben und verspricht sich sehr viel von seinen beiden neuen Filmen [...]" ("Gespräch mit Sidney M. Goldin", Der Filmbote, Nr. 22, 31. Mai 1924)

In der Nr. 16, 1923, berichtet die Filmwelt in einer Kurzmeldung, dass Sidney Goldin an einem "schweren Herzleiden erkrankt" ist. Ein böses Ohmen, wenn man bedenkt, dass Goldin 1937 in einem New Yorker Krankenhaus an einem "Herzleiden" gestorben ist.

Goldins frühes Schaffen

Über Goldins Anfänge beim Film berichtete er dem Filmboten, dass er "seit etwa 20 Jahren in der Filmindustrie arbeite, darunter acht Jahre bei der weltberühmten Firma Universal in Amerika. Er bezeichnet sich aus diesem Grunde selbst als einen Pionier des Films" Dazu muss gesagt werden, dass der Gesprächsbericht am 31. Mai 1924 erschien, Goldins Filmanfänge also etwa um 1904 zu finden sein müssten - jedenfalls auch unter der Annahme, dass Goldin oder der Filmbote bei "etwa 20 Jahren" großzügig aufgerundet hat, müsste man immer noch vor 1910 ansetzen, sonst hätten wohl eher 15 Jahre genannt werden müssen. Die ersten Filme in Goldins bekannter Filmografie stammen jedoch von 1912 - was nur mit den Angaben Goldins im Filmboten übereinstimmen würde, hätte er von 1912 bis 1920 für Universal gearbeitet. Doch, so der Filmbote weiter, habe er mit Rudolph Valentino bei Famous Players gearbeitet, woher seine Freundschaft mit Sidney Olcott rühre, dem er viel zu verdanken habe. Da gehen sich jedoch kaum acht Jahre Universal aus, zumal Goldin 1920 schon in Europa war, um in London und Prag zu drehen, so jedenfalls die Filmografie auf IMDB. Ich vermute, Goldin war schon vor 1912 in New York beim Film tätig. Diese früheste Phase des US-Films hat auch schon bei anderen Filmschaffenden für nur schwer zu erschließende Lücken gesorgt.

Und was ist Luna Film?

[erstveröffentlicht von mir am 5. Jänner 2009 auf fm5ottensheim.blogspot.com, hierher verschoben]

Auch über Luna Film gibt es nur spärliche Informationen, und das, obwohl die Luna Filmverleih GmbH (um diese geht es hier; nicht um die deutsche Luna-Film) nach Filmladen (und nach Constantin Film-Holding Österreich) seit Jahren der drittgrößte österreichische Filmverleih ist, mit jährlich rund 3 % Marktanteil bzw. 200.000 bis 500.000 Kinobesuchen auf seinen Filmen (österreichische, aber auch viele ausländische; vergleichbar mit dem Filmladen; "Dauerbrenner" von Luna-Film ist zB. der US-Horrorfilm "The Saw", wo bislang jede Fortsetzung in Österreich verliehen wurde; The Saw 3 zuletzt mit 150.000 Kinobesuchen, also ganz schön erfolgreich; auch der französische Kassenschlager "Willkommen bei den Sch'tis" wird in Österreich von Luna Film verliehen)

Aber was ist Luna Film nun, seit wann gibt es sie und wo "kommt" sie her? Die Antwort ist verblüffend und beginnt beim Besucher der Webseite des Verleihs. Chef ist Michael Stejskal, der praktischerweise gleich mit seiner Emailadresse @filmladen.at angegeben ist. Stejskal ist nämlich sowohl Hauptgesellschafter und Geschäftsführer des Filmladen als auch der Luna Film. Stejskal ist also persönlich der zweitgrößte oder größte österreichische Verleih, auf Augenhöhe mit der Constantin Österreich, die ja über den Vorteil verfügt, deutsche Kassenschlager ihrer ehemaligen Mutter Constantin Film in Österreich verleihen zu können (die "Familienbande" funktionieren trotz "Trennung" offenbar noch bestens).

Über die Geschichte der Luna Film ist leider wenig rauszufinden. Es gibt sie jedenfalls schon mindestens seit 1999. In diesem Jahr findet sich ein Dokument der Stadt Wien, die der Luna Film Förderungen für ein Kinderfilmfestival zuspricht. Ansonsten "beginnt" die Geschichte laut online auffindbaren Quellen erst im Jahr 2001. Damals wurde der Firmenbucheintrag laut firmen-abc zuletzt geändert. Demnach ist Stejskal mit 70 % Hauptgesellschafter der GmbH, 30 % gehören Susanne Anderle. Selbige Anteilsverhältnisse treffen übrigens auch auf den Filmladen Filmverleih zu.

Die Luna Film verfügt (vermutlich seit 2001) über 40 % der Anteile am Votiv Kino. 35 % hält ein Verein zur Medienforschung namens "Filmladen" (das verstehe, wer wolle), 23 % hält Stejskal persönlich, 4 % hält Anderle und die übrigen 6 % zwei weitere Personen. Außerdem hält die Luna Film 33 % der Anteile an FilmNetwork Filmverleih und Medienvertrieb. Diese ist u.a. für den Vertrieb der DVDs des Filmladen zuständig. Logischerweise werden also weitere 33 % vom Filmladen gehalten. Aber der Knüller kommt jetzt: Die übrigen 33 % (1 % bleibt anonym?) hält ein gewisser Andreas Thim (!). Womit wir wieder bei ThimFilm werden. Thim ist laut firmen-abc auch allein zeichnungsberechtigt bei FilmNetwork - obwohl ja Stejskal als Haupteigentümer von Filmladen und Luna Film indirekt die Mehrheit an FilmNetwork hält.

Ah und noch was: Filmladen, Luna Film und FilmNetwork haben "natürlich" den selben Firmensitz (in der Mariahilfer Straße), quasi Tür an Tür im selben Gebäude (bzw. Telefon an Telefon im selben Büro bzw. die selben Emailadressen).

Bleibt noch die Frage: Wer hat Luna Film gegründet? Stejskal selbst wohl kaum, wo er doch den Filmladen besitzt. Auch der Filmladen wurde nicht von Stejskal selbst gegründet. Er hat sich aber irgendwann (vermutlich in den 90ern, Indizien deuten auf 1993) groß eingekauft. Selbiges geschah vermutlich auch bei Luna Film. Via Filmladen hat er auch das Votiv und das Admiral Kino gekauft. Auch das deFrance gehört zu seinem kleinen Konzern. Stejskal also die treibende Kraft zu einem neuen Filmgroßkonzern in österreichischer Hand? Die Vertikale Integration wurde in den letzten Jahren jedenfalls erfolgreich ausgebaut. Verleih und Vertrieb sowie mehrere Kinos (wenn auch kleine) hält Stejskal schon. Fehlt noch eine Produktionsgesellschaft!

...to be continued.

Was ist Thim Film?

[erstveröffentlicht von mir am 4. Jänner 2009 auf fm5ottensheim.blogspot.com, hierher verschoben]

Hat sich schon mal jemand gefragt, wer oder was "Thim Film", der Verleiher des erfolgreichsten Film des Jahres 2008 und vermutlich erfolgreichsten Film seit Poppitz und Hinterholz 8 ist? Vermutlich nur wenige, aber denen, die sich das fragen, soll hiermit weiter geholfen werden.

Eins vorweg: Alle Infos, die hier nun folgen, sind für jeden im Internet zugänglich und auffindbar. Allerdings nicht auf die Schnelle. Für jene, die bloß schnell ein Häppchen Info wollen und keine Lust auf eine Diplomarbeit darüber haben, hat dieser Beitrag also sicher seine Berechtigung.

Thim Film - häufiger: "ThimFilm" - ist eine Tochter des 3L Filmverleihs, der wiederum eine Tochter der e-m-s new media AG in Dortmund, Deutschland ist - dem nach eigenen Angaben ältesten DVD-Hersteller Deutschlands - quasi ein Traditionsbetrieb: Pressung der ersten DVD 1997.

In einem Newsletter teilte die Filmstiftung Nordrhein-Westfahlen im Dezember 2004 mit, dass e-m-s in die Filmproduktion einsteigen möchte. Erste Produktionen seien für 2006 geplant. Verantwortlich für die Durchführung des Vorhabens: Vorstandsdirektor Werner Wirsing und Verleihchef Andreas Thim.

Offenbar scheint zeitlich alles funktioniert zu haben, schließlich vermerken Online-Firmenbücher für den 29.12.2006 die Gründung der "ThimFilm" - Leiter: Andreas Thim - in einem Wiener Randbezirk. Das im Internet zu findende Gründungsdatum passt jedenfalls sehr gut zur erstmaligen Nennung des Verleihs im Filmwirtschaftsbericht zu 2007 (veröffentlicht im Dezember 2008). Dort erscheint das Unternehmen gleich zwei Mal in der Verleihstatistik. Einmal als "Senator/Thim Film" und einmal als "3L Filmverleih / Thim Film". Erfolgreichste Filme der beiden: Death Proof - Todsicher mit 66.000 Besuchern und 2 Tage Paris mit 43.000 Besuchern. Den Zusammenhang bzw. die Zusammenarbeit der Thim Film mit Senator Film, die ebenfalls eine Verleihtochter in Österreich haben, konnte ich bislang nicht aufklären.

Jedenfalls verlieh die ThimFilm nach Angaben des Österreichischen Filminstituts erstmals letztes Jahr, 2008, einen österreichischen Film: Die "Independent"-Produktion David Ungers, der seinen Sex-Klamauk "Schlimmer geht's nimmer" aus eigener Tasche finanzierte und damit vermutlich keinen Verleiher fand - außer ThimFilm, die wohl als einzige überblieb und vermutlich selbst keine Filme fand, die ihr nicht von Senator oder über 3L in die Hand fielen. Österreichische Filmproduzenten wählen schließlich in den meisten Fällen Filmladen als Verleih. Und manche Produzenten kochen mittlerweile mit eigenen Verleihen ohnehin schon ihr eigenes Süppchen. Kleinere Produktionen wie Kurz- und Experimentalfilme landen bei Polyfilm oder dem Stadtkino-Verleih. Mainstream-orientierte Produktionen landen gerne auch mal bei der Constantin-Holding, der von der einstigen Mutter nach Österreich ausgekauften Tochter der deutschen Constantin Film. Die deutschen Filme verleihen die deutschen Produzenten mit ihren eigenen Verleihen, selbiges gilt natürlich auch für die amerikanischen. Da bleibt nicht mehr viel übrig, womit sich ein neuer Verleih profilieren könnte. Wie ThimFilm also zu Schlimmer geht's nimmer gekommen ist, bleibt ebenfalls vorerst ein Rätsel. Möglicherweise hat auch hier David Unger mitfinanziert - findet sich doch häufig als Verleihangabe "Thim Film/David Unger". Für das Ergebnis braucht man sich allerdings ohnehin nicht schämen. Der Film erreichte immerhin 7.000 Besucher und somit mehr als die meisten anderen österreichischen Filme des Jahres, darunter die Allegro-Produktion mit Regisseur Sicheritz und Kabarett/Film-Star Roland Düringer Darum, die mit 6.000 Besuchern - man kann es bei diesem Produktionsaufwand nicht anders sagen - ordentlich abkackte, wenn man die stattliche Referenzliste der Beteiligten mit einigen der (national) erfolgreichsten österreichischen Filme aller Zeiten ansieht (Hinterholz 8, Poppitz, Muttertag...).

Der zweite österreichische Film, den ThimFilm bislang verliehen hat/verleiht, ist dann auch schon Echte Wiener. Wie das wieder vor sich gegangen sein soll, wo doch Filmladen und Constantin sonst "Gewehr bei Fuß" für solche Leckerlis stehen, kann ich mir auch wieder schwer erklären. Mein Ansatz ist allerdings der, dass entweder ThimFilm ein unschlagbares Angebot gemacht haben muss oder die Produzenten von Echte Wiener aus irgendwelchen Gründen nicht mit den etablierten Verleihen zusammenarbeiten wollten. In ersterem Fall kann ich mir auch gut ein "Eröffnungsangebot" vorstellen. Sprich: ThimFilm will in Österreich "groß" (so groß man hier halt kann, wenn man keine amerikanischen Filme hat) einsteigen bzw. seinen Teil am Kuchen haben und hat daher um alles in der Welt versucht, den absehbaren Kassenschlager Echte Wiener für sich zu gewinnen um ihn als künftige Referenzproduktion vorweisen zu können. Das wäre dann wohl geglückt.

Aber gegen die etablierten Verleiher wird man sich wohl auch langfristig nur durch bessere Konditionen durchsetzen können, denn der Markt ist an und für sich besetzt. Es ist für den Filmproduzenten egal, welchen der Verleihe er nimmt, die ihn nehmen würden (also keine amerikanischen und deutsche Verleihe; bleiben also Filmladen und Constantin als "big player" im Bereich österreichische Filme sowie die kleinen "Zwutschgerl" polyfilm, stadtkino oder auch Luna Film und Poool Film, die übrigens ebenfalls Fuß fassen wollen).

Was kommt also als nächstes? Wird ThimFilm künftig den österreichischen Verleihern die wenigen erfolgreichen Produktionen abwerben? Werden weitere Independent-Streifen verliehen? Und was wird aus der Kooperation mit Senator Film?

Die Stadt ohne Juden

[erstveröffentlicht von mir am 19. Oktober 2008 auf fm5ottensheim.blogspot.com - hierher verschoben]

...so heißt ein österreichischer Film aus dem Jahre 1924, basierend auf einem Roman Hugo Bettauers. Der Film wurde am 10. Oktober 2008 im Zuge der Erweiterung der DVD-Kollektion "Der österreichische Film - Edition Der Standard" von 100 auf 125 DVDs erstmals auf Bilddatenträger veröffentlicht.

Der Film, eine erschreckend genaue Zukunftsvision des satirischen Aufklärers Hugo Bettauer, handelt von Wien Anfang der 20er-Jahre, eine Zeit, in der Österreich noch unter den Kriegsfolgen wie Inflation und Arbeitslosigkeit litt. Zugleich erhöhte sich die jüdische Bevölkerung der Stadt in den Kriegsjahren durch jüdische Flüchtlinge vor russischen Pogromen in deren von Österreich-Ungarn (zwischenzeitlich) eroberten Gebieten um zehntausende auf rund 180.000 bis 200.000. Der Antisemitismus wusste auch mit den bettelarmen Juden neue Vorurteile zu beschwören und sah darin keinen Widerspruch mit den Vorurteilen vom "reichen, ausbeuterischen Juden".

Demnach wären die Juden als Großindustrielle, Bankiers und Börsenspekulanten sowohl an den Kriegsfolgen wie Inflation und der Währungskrise Schuld, zugleich aber seien sie auch unerwünschtes "Gesindel", vor dem sich sogar die "Westjuden" (also das assimilierte Wiener Judentum, das sich im Zuge der jüdischen Emanzipation immer mehr von der eigenen Religion abgrenzte) zu distanzieren versuchten (sie aber nichtsdestotrotz mit zahlreichen eigens gegründeten Wohltätigkeitsvereinen unterstützte).

In dieser Zeit von Anschlusssehnsucht, Deutschtümelei und Antisemitismus fällt also das 1922 erschienene Buch sowie der 1924 erschienene Film, ein verschämter Abklatsch des Buches. Im Film wurde aus "Rücksicht" auf die äußerst empfindliche Situation des Landes "Wien" zu "Utopia" umgetauft und die ganze Geschichte überhaupt zu einem "Traum" eines Antisemiten degradiert, der "zum Glück" nicht eintritt. Nichtsdestotrotz waren die - prall gefüllten - Kinos in Teilen des Raum Wiens beliebtes Angriffsziel für illegale Nazis, die mit Stinkbomben und anderen Störaktionen in Erscheinung traten. In den USA wiederum, wo der Film ebenfalls erscheinen hätte sollen, wurde der Film als vermeintliches antisemitisches Machwerk aus "Rücksicht auf die Empfindlichkeit der Religionen" nicht zur Aufführung zugelassen. Währenddessen wurde 1925 der wegen seiner Weltanschauungen von Antisemiten ohnehin schon lange angefeindete Hugo Bettauer Ziel eines Nazi-Anschlages (Parallelität der 20er Jahre mit der Nachkriegszeit: der NS-Täter wurde frei gesprochen - zumindest de facto. Nach einer Einweisung wegen "Unzurechnungsfähigkeit" wurde er nach 2 Jahren ohne weitere Auflagen aus der Anstalt entlassen - nach der "Rehabilitierung" aller Nazis in Österreich durch den Staat 1948 kam es ebenfals zu praktisch keiner einzigen Verurteilung eines NS-Kriegsverbrechers mehr).

Der Film, so abgeschwächt der Inhalt des Buches (das übrigens genau so wenig ernsten Anspruch erhob, sondern als satirische Stellungnahme zum Zeitgeschehen gedacht war) auch wiedergegeben wurde, stellt trotz aller Schwächen und unbeabsichtiger Bestätigung antisemitischer Klischees (Bsp. 1: den entscheidenden Beitrag zum Happy-End des Films - die Rückkehr der Juden nach Wien - leistet ein als Franzose getarnter Jude, der die entscheidende Stimme eines Abgeordneten verhindert, indem er ihn mit Wein (bei Hans Moser, der diesen Abgeordneten spielt, absolut glaubwürdig) und Schlafmittel außer Gefecht setzt; Bsp. 2.: das Land kriegt keine Kredite mehr aus dem Ausland, da offenbar alle Banken jüdisch sind und das Land boykottieren) die Ereignisse letztlich ins richtige Licht, als die Darstellung der Ausweisung der Juden - hier nun vorwiegend einfache und arme Leute - auch wirklich als tragisches Ereignis, als schwere Trennung von der Heimat und Vaterland - nämlich Österreich - dargestellt wird, eine nun von ihrem (jüdischen) Mann getrennte (christliche) Frau mit dem Selbstmord droht, Elternteile von Kindern getrennt werden, alte, gebrechliche Leute mit Gewalt von Soldaten vorangetrieben werden usw... Also keine Spur von Verharmlosung.

Trotz all der Tragik der Geschichte - das Happy End des Films ist noch dazu verschollen und wird auf der DVD nur als Text wiedergegeben - nun noch drei eher amüsante, kleine "GIF"-Ausschnitte aus dem Film, darunter die expressionistische Szene in der Irrenanstalt mit den blinkenden Judensternen, sowie die "Alptraum"-Szene, in der singende und klatschende Juden als Geister um das Bett postiert sind.

...leider werden die gifs nicht abgespielt, wie ich grad erkenne :-/

daher folgend die Links zum jeweiligen Gif:
1) Zeitunglesen


2) Judenstern-Paranoia


3) Wahnvorstellung im Schlaf